Martina Clavadetscher

Die Erfindung des Ungehorsams

Beat Mazenauer im Gespräch mit Martina Clavadetscher über ihren Roman
«Die Erfindung des Ungehorsams»

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Drei Frauen in unterschiedlichen Epochen, alle auf der Suche nach einer Antwort – nach dem Kern der Dinge: Ada Lovelace, Mathematikerin und Pionierin der Programmiersprache; Iris, die ruhelos in Manhattan durch ihr Penthouse tigert, sich abends Geschichten erzählt und ihre Halbschwester Ling, als Angestellte in einer Sexpuppenfabrik im Südosten Chinas kontrolliert sie künstliche Frauenkörper auf Herstellungsfehler.

Martina Clavadetscher, Sie haben soeben Ihren dritten Roman veröffentlicht mit dem verheissungsvollen Titel «Die Erfindung des Ungehorsams». Als Einstieg ins Gespräch möchte ich bei einem Objekt ansetzen, das gleich anfangs erwähnt wird. Es geht um die «Differenzmaschine», eine Rechenmaschine, die der Mathematiker Charles Babbage 1832 gebaut hat. Sie spielt im Buch eine Rolle, doch mich interessiert vorgängig: Wie ist es Ihnen ergangen, als sie dieses Wunderwerk der Technik erstmals gesehen haben?

Tatsächlich kam ich erst über die Beschäftigung mit Ada Lovelace auf die Differenzmaschine; eine eindrückliche, schöne Konstruktion. Faszinierend daran ist, dass die mechanischen Rechenprozesse (im Gegensatz zu heute) noch physisch sichtbar waren, mechanisch und analog. Das Programm besass und war etwas sehr Körperliches und war fassbar, während heute die Algorithmen und Programme im Verborgenen und fast undurchsichtig stattfinden. Diese Körperlichkeit beeindruckt mich am meisten daran – und passt auch bestens zum Roman.

Spannend ist ja, dass die Differenzmaschine eigentlich ein Resultat des männlichen Erfindergeists ist – genau damit aber kommt bei Ihnen eine Frau ins Spiel. Ada Lovelace gilt als eine Pionierin des algorithmischen Denkens. Sie spielt in dem zentralen Teil des Buches die Hauptrolle. Welche Bedeutung hat Ada für Sie, dass Sie sie ins Zentrum gesetzt haben?

Ada Lovelace lebte in einer Viktorianischen Zeit, in der Frauen kein Zugang zu Universitäten hatten. Eine geistige Karriere war nicht möglich, der «Erfindergeist» war männlich, weil Frauen systematisch davon ausgeschlossen und in andere gesellschaftliche Rollen gepresst wurden. Zudem litt Ada unter einer sehr dominanten Mutter – trotzdem hat sie sich ein mathematisches Wissen angeeignet und zu Babbages geplanter «Analytischen Maschine» ein Programm zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen geschrieben und in ihren Anmerkungen den heutigen Computer und die Künstliche Intelligenz visionär vorausgesehen. Mit diesem widerständigen Funken, mit dieser Vision, die trotz Unterdrückung entstand, ist sie gewissermassen der Ursprung für die anderen zwei Hauptfiguren im Roman, sie ist das Kernstück – sie bedingt die anderen zwei fiktionalen Welten, denn sie schleuderte 1843 diesen Keim an Wissen in die Weltgeschichte hinaus.

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