Theres Roth-Hunkeler

Geisterfahrten

Bernadette Conrad im Gespräch mit Theres Roth-Hunkeler über ihren Roman «Geisterfahrten»

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Geschwisterliche Nähe: Wovon hängt sie ab? Kann sie sich auch spät im Leben noch entwickeln? Das neue Buch von Theres Roth-Hunkeler «Geisterfahrten» erzählt von einer Brudersuche. Lisa, eine zweiundsechzigjährige Frau, versucht, einen kurzen gemeinsamen Urlaub im Tessiner Malcantone als Gelegenheit zu nutzen, ihrem 83-jährigen, sehr verschlossenen Halbbruder in Gesprächen näher zu kommen.

Theres Roth-Hunkeler, worum geht es Ihnen vor allem bei dieser «Geschwisterfrage», die Sie ja ins Zentrum Ihres neuen Romans gestellt haben?

Mich hat beschäftigt, wie unterschiedlich Geschwister ihre Herkunftsfamilie erleben. Dass das so ist, konnte ich nicht nur in meiner eigenen Familie, sondern auch bei mehreren Freundinnen feststellen. Ich denke dabei an die traditionelle Mutter-Vater-Kinder-Familie, die ja heute keineswegs mehr der Standard ist – aber in meiner Generation eben doch der Standard war. Man geht ja zunächst davon aus, dass alle Geschwister denselben Hintergrund hatten, dieselbe Sozialisation – aber das stimmt nur auf den ersten Blick. Sobald man genauer hinschaut, wird deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen Geschwister die Familie und ihre Kindheit erlebt haben; wie unterschiedlich sie auch verschiedenen Situationen erinnern – oder auch komplett vergessen! Überdies sind Erinnerungen ja nicht in Stein gemeisselt – man bearbeitet sie im Laufe des Lebens. Manchmal aber kann man als Geschwister auch etwas zusammenfügen.

Denn Geschwister sind ja auch Zeugen füreinander…

Ja, absolut. Jede Familie hat ihre prägenden Szenen. Bei uns hat sich vieles bei Tisch abgespielt, ein grosser Teil der Erziehung fand dort statt. Auch die Geschwister erziehen die Jüngste in der Reihe mit. Ich war immer jemand, die viel gelesen hat, das konnte ich mit niemandem teilen, also war ich allein in meiner Phantasie unterwegs. Meine Geschwister waren viel stärker nach draussen orientiert. Und doch gibt es natürlich die vielen gemeinsamen Erlebnisse, die Feste, die Beerdigungen, – man ist halt zusammen, muss Kleider nachtragen und austragen, muss durch alle Eifersüchteleien hindurch, alle Allianzen. Wer kriegt mehr? Ob du zu acht oder zu dritt bist, es ist immer dasselbe.

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